Auf nach Muktinath

Trekking in Nepal: Auf nach Muktinath

6 Uhr am Morgen, wir lagen schon lange wach im Bett, klopfte Krishna. Es schneite immer noch und wir konnten nicht loslaufen. Wir waren traurig - obwohl wir bis jetzt fast jede Stunde etwas Neues und Faszinierendes erlebt hatten. Sollte die Tour nach Muktinath dem Schnee zum Opfer fallen?

Als wir 7.30 Uhr zum Frühstück gingen, lugten ganz kleine blaue Flecken aus den Wolkenbergen hervor. Gab es doch noch Hoffnung? Wir entschieden uns loszulaufen, mit im Gepäck unsere Stirnlampen, da die Aufbruchzeit eigentlich zu spät war. Wir waren an diesem Tag die ersten, die sich auf den Weg nach Muktinath machten. Krishna musste spuren und je höher wir kamen, umso höher wurde der Schnee. Mittlerweile war strahlend blauer Himmel und blütenweißer Schnee. Manchmal schimmerte der Schnee uns hellblau entgegen.

Auch wenn es die ersten Kilometer stramm bergauf ging, waren wir bester Laune und voller Erwartung. In den ersten Stunden gehörte der Weg nach Muktinath uns ganz allein. Einsam zogen wir unsere Spur. Es war leise, ganz leise, nur unsere Atmung durchdrang diese Stille.

Wir lauschten auf die Reaktionen in unserem Körper, immer darauf bedacht, Krishna ein Zeichen zu geben, wenn sich irgendwelche Symptome der Höhenkrankheit zeigten. Nichts tat sich, es ging immer höher und uns ging es einfach allen gut. Ab und zu hörten wir eine Lawine ins Tal donnern. Die Sonne stand noch nicht allzu hoch, also bestand für unseren Weg noch keine Lawinengefahr. Wir zogen weiter unsere Spur und jetzt kamen uns auch die ersten Pilger entgegen. Wir dachten wir sehen nicht richtig, in Badelatschen und nur leicht begleitet, aber glücklich am heiligen Ort gewesen zu sein, führte sie der Weg hinab. Der Weiterweg lenkte uns über einen Bach. Ein Pilger aus Indien kam ins rutschen und ehe wir zugreifen konnten, lag er mittendrin. Oh Gott und der Weg bis in den nächsten Ort war noch weit. Trotzdem stand er ganz ruhig ohne zu fluchen und zu schimpfen auf, wie wir es tun würden, und lief gleichmäßig weiter. Wieder ein anderes Mal kamen uns fünf Nepalis entgegen.

Diese hatten nur Turnschuhe an, die schon total durchgeweicht waren. Dafür trugen sie aber eine komplette Campingausrüstung. Wie sich später herausstellte für eine Trekkinggruppe aus Frankreich, die auf der Annapurna-Umrundung waren. Wir fragten uns, ob man all diese Dinge benötigt, die hier mit rumgeschleppt wurden. Komfort und Luxus ist nicht alles in den Bergen. Ist es nicht viel interessanter abends in kleinen Lodges oder bei Familien zu übernachten? Lernt man nicht dadurch erst das Land kennen? Hilft man den Dörfern nicht viel mehr, wenn man ihre Gastfreundschaft in Anspruch nimmt und dort übernachtet? Oder zählt nur die Leistung: „Wir haben die Umrundung in so und soviel Tagen geschafft, wir waren so und so hoch“? Hätte diese Trekkinggruppe das auch ohne Hilfe der Nepalis geschafft? Das sind unsere Gedanken auf den weiteren Weg.

Dabei merken wir gar nicht, dass wir immer höher kommen und vor uns das Eingangstor von Muktinath liegt. Wir haben es geschafft, trotz Wetter, Schnee und dem späten Aufbruch, stehen wir in Muktinath. Wir freuen uns riesig, denn ein wenig geschafft waren wir. Das Laufen im Schnee strengt an. Wir blicken uns um und sehen noch ca. 100 Höhenmeter weiter Gebetsfahnen. Erst jetzt wird uns bewusst, wir müssen noch höher. Also geht es weiter.

Wenn wir ehrlich sind, wären wir froh gewesen, wenn schon am Ortseingang die Tempelanlagen stehen. Wir schafften auch noch das letzte Stück und dann betraten wir die heiligen Tempelanlagen von Muktinath. Auf Bildern sah das immer ganz anders aus, aber da war auch kein Schnee und außerdem wimmelt es dann meist von Pilgern. Wir waren ganz allein hier, bis auf einen Hund, der uns gefolgt war und einer Ratte, die auf einem der 108 Wasserspeier saß.

Als wir in der Pforte standen hielten wir für kurze Zeit die Luft an. Wir waren uns der Bedeutung dieses Ortes bewusst. Muktinath ist der einzige heilige Ort der Welt, wo alle vier Elemente zusammenstoßen, Wasser, Feuer, Erde und Luft. Auch deswegen muss jeder Buddist oder Hinduist einmal dort gewesen sein. Wir konnten uns leider nicht alle vier Elemente ansehen. Der Tempel mit der heiligen Flamme war zu und die Erde mit Schnee bedeckt. Wir umrundeten einmal die 108 Wasserspeier, dann mussten wir uns auf den Rückweg machen. Die Zeit wurde knapp und außerdem spürte Bärbel ihre Füße vor Kälte nicht mehr.

Wir liefen also zurück in den Ort und dort gab es dann erst einmal einen heißen Tee, eine heiße Suppe und Kekse. Das tat richtig gut und die Lebensgeister kehrten zurück. Bärbel zog ihre Schuhe aus und Paul, von Beruf Arzt, versuchte mit Akupressur irgendwie Wärme in die Füße zu bekommen. Wir hatten ja den eigentlichen Abstieg noch vor uns.

Darum hielten wir uns auch nicht zu lange im wärmenden Raum auf. Im Eilzugtempo ging es Richtung Kagbeni. Mittlerweile floss auch in unseren Schuhen das Wasser wie ein Bach. Durch die Sonne war der Schnee pappig geworden. Und manchmal kam ein lautes „Scheiße“ aus unseren Mund, als wir bis zu den Knöcheln im eiskalten Wasser standen und der Schneematsch oben in die Schuhe reinsackte. Es war ein tolles Gefühl, wenn dieser dann langsam schmolz und sich in unseren Schuhen breit machte, als ob er dort zu Hause war. Wir erinnerten uns an den Pilger, der in den Bach gefallen war und nicht fluchte. Egal nur vorwärts. Wir wollten schließlich noch im Hellen wieder unten sein. Ein Teil des Weges war durch Lawinen verschüttet. Ein Glück, das wir zum Zeitpunkt des Abgangs nicht gerade an diesem Ort waren.

Beim letzten Tageslicht erreichten wir, halb rennend und den Hang herunter rutschend, Kagbeni.


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